Zeit — wir haben nie genug

Robin Eric Haak
4 min readJul 24, 2017

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Wir wollen immer mehr von ihr. Der Zeit. Wir optimieren und trotzdem rennt sie uns stetig davon. Ein unüberwindbarer Kreislauf?

Das Streben nach mehr Zeit

Eine obskure Maßeinheit. Und doch glauben wir alle an sie. Und meistens tun wir alles, um noch mehr von ihr zu erhaschen: Zeit. Oftmals indem wir gewichten — uns selbst begrenzen oder schlicht: Prioritäten setzen. Wir beschleunigen unser Tun und verkürzen unsere Tätigkeiten auf ein Minimum. Das Ziel: Effizienz. Die Idee ist, mehr Freiraum für Neues zu schaffen. Den allgemeinen Trott hinter sich lassen, um mehr Zeit zu gewinnen — aber: die neu gewonnene Zeit, präsentiert sich oft als nicht minder stressig. Wir denken immer nur an den nächsten Step. Und die Motivation: Stolz, Geld, Liebe?

Meine Erkenntnis der letzten Jahre scheint vielleicht nicht neu, aber für mich von hohem Wert: Je mehr ich gerannt bin, je schneller ich wurde, desto weniger Zeit schien mir zu bleiben. Eine neue Strategie musste her.

Kann irgendjemand die Zeit anhalten?

Grundsätzlich ist es doch so: Die Menschheit will seit Jahrhunderten den heiligen Gral, das ewige Leben, den eigenen ewigen Fortbestand. Man nimmt sich selbst wichtig und strebt: immer höher, schneller, weiter. Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, nutzen wir unsere Zeit oft nicht ganz richtig. Ein simples Beispiel: Ich sitze gerade im Zug, um mich herum sieht keiner so aus, als sei er zufrieden mit dem, was er gerade tut. Doch weiß das überhaupt jemand?

Kennt ihr die Geschichte vom dem Yoga-Typen auf dem Berg? Wir wandern nach oben und wollen die Weisheit erhaschen, am besten in Tablettenform. Oben angekommen treffen wir auf einen weisen „Kollegen Turnschuh“, mit sieben Prozent Körperfett und einem langem weißem Rauschebart. So ganz können wir ihm jetzt auch nicht glauben, dass es ihm soviel besser geht (ich meine der hat kein Paleo Restaurant auf seinem Berg). Auf unsere Lebensfrage antwortet er: Wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich gehe, dann gehe ich. Klingt klug. Denn was diese simple Formel bedeutet, ist Yogis wohl bekannt: Lebe im Moment. Die Vergangenheit ist vorüber und die Zukunft ungewiss. Was bleibt ist das Jetzt.

Innere Ruhe als Schlüssel für mehr Zeit

Doch gerade das Leben im Moment ist oft schwer umsetzbar. Im hektischen Alltag, in dem wir allzu oft getrieben sind. Zumindest ist es bei mir so: Ich lerne nur begrenzt dazu, obwohl alles so klar scheint. Alles, was mich abhält, ist der eigene körperliche Zerfall. Ich denke an Energie. Woher schöpfe ich sie und wo gebe ich sie in vollen Zügen aus. Ein bisschen Spaß, ein bisschen mehr Arbeit. Am Ende sollte oben in die Badewanne mehr fließen als unten abfließt. Mach ich aber immer falsch. Für die eiserne Reserve zu sparen, ist doch ebenso sinnlos. Alles nur eine selbst erschaffene Sinuskurve, um den Euphorie-Kick ab und an zu „triggern“.

Aber das Alter macht vor niemandem halt. Auch wenn ich objektiv jung bin, die Zeit rennt. Während ich früher drei Tage durchgehend im Berghain war, bin ich jetzt ruhiger, souveräner, ärgere mich weniger, habe mehr Verständnis und mein Traumurlaub ist das Glas Wein in der Toskana und nicht mehr LLoret de Mar: Jedes Alter hat seine Vorzüge aber eben auch Nachteile.

Soviel ist spätestens jetzt klar: Ich bin mein ganzes Leben einer Karotte hinterher gelaufen. „Wenn ich erst das habe, dann bin ich frei“, habe ich gedacht — ist nur leider nie so. Nicht nach dem Abi, nicht nach dem MBA und auch nicht, wenn ich irgendwann einmal ein Startup erfolgreich verkaufe oder in der Lotterie gewinne. Die ganze Glückseligkeit kommt von innen. Aber warum ignorieren wir dieses Wissen darum ständig? Wieso leben wir nicht im Moment, schätzen den Augenblick?

Danke — Zeit

Man sollte jede Sekunde genießen, sich erfreuen. Man sollte dankbar sein. Jeder Schritt sollte von innen kommen. Ich habe eine Menge Dinge abgeworfen, auf die ich im Leben keine Lust mehr hatte. Das hilft, sich loszusagen, sich fallen zu lassen. Dann sollte man sich selbst nicht so wichtig nehmen. Alles egal. Man selbst ist nur eine Ameise irgendwo. Seine Zeit sinnvoll mit den Dingen verbringen, die man wirklich aus tiefstem Herzen will. Vom ganzen Herzen in vollen Zügen lieben. Gleichgültigkeit abschaffen und sich engagieren und teilen. Das ist es was das Leben ausmacht: Sich verbunden zu fühlen, das ist die einzige Zeit, in der du wirklich lebendig bist. Und zwischendurch, wenn sie denn scheint, einfach mal die Augen schließen und eine Minute in die Sonne „gucken“.

Um Zeit also sinnvoll zu gestalten, sollte man gut zu sich sein, demütig sein, sich bewusst sein und die kleinen Dinge genießen. Wer jede Sekunde wahrnimmt und genießt, das ewige Denken an die Zukunft hinter sich lässt, der muss sich nicht mehr fragen: Wie bekomme ich mehr Zeit? Der misst nicht mehr in der obskuren Maßeinheit, die den Takt vorgibt.

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Robin Eric Haak

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